Damit die Hersteller und Automobilzulieferer im Wettbewerb der selbstfahrenden Autos erfolgreich sein können, müssen sie die richtigen Talente gewinnen. Branchenexperte Christoph Schlegel erklärt, welche Absolventen für diese Berufe besonders gefragt sind, wie traditionelle Unternehmen sie gewinnen können und was der Cowboyhut von Dieter Zetsche damit zu tun hat.
Damit die Hersteller und Automobilzulieferer im Wettbewerb der selbstfahrenden Autos erfolgreich sein können, müssen sie die richtigen Talente gewinnen. Branchenexperte Christoph Schlegel erklärt, welche Absolventen für diese Berufe besonders gefragt sind, wie traditionelle Unternehmen sie gewinnen können und was der Cowboyhut von Dieter Zetsche damit zu tun hat.
2025AD: In what way is this significant?
Schlegel: Zetsche wanted to send out two signals from Texas: First, Daimler has changed from a car manufacturer into a technology company that competes with Google and Tesla and provides access to all sorts of mobility. Zetsche’s second signal went to young graduates: “Look, the atmosphere at Daimler isn’t dominated by suit-wearing bosses who imposed a hierarchical structure of command-and-control. Instead Daimler is cooler with more space for creativity.”
2025AD: Inwiefern ist das von Bedeutung?
Schlegel: Zetsche wollte zwei Signale aus Texas senden: Erstens hat sich Daimler von einem Automobilhersteller zu einem Technologieunternehmen entwickelt, das mit Google und Tesla konkurriert und Zugang zu allen Arten von Mobilität bietet. Das zweite Signal von Zetsche ging an junge Absolventen: "Schau, die Atmosphäre bei Daimler wird nicht von Anzug tragenden Chefs dominiert, die eine hierarchische Struktur der Führungsebene vorgeben. Stattdessen ist Daimler cooler und hat mehr Raum für Kreativität."
2025AD: Warum will Zetsche das Image von Daimler so radikal verändern?
Schlegel: Weil er einen grundlegenden Wandel erkennt: Nach unserer Berechnung wird das monetäre Volumen des Weltmarktes für fortschrittliche Fahrerassistenzfunktionen und autonomes Fahren bis 2025 um 12-14% pro Jahr steigen. Kaum ein Markt der Welt weist solche Wachstumsraten auf. Fahrerassistenz wird in den meisten Autos zum Standard werden und wir könnten bald die erste Roboter-Taxi nutzen.
2025AD: Wie können Unternehmen in diesem Markt erfolgreich agieren?
Schlegel: Entscheidend ist, die richtigen Talente zu gewinnen. Automobilhersteller wie Daimler haben bereits 1000-1500 Ingenieure für diese Technologie engagiert, viele Zulieferer haben ähnliche Zahlen. Aber ihre größte Herausforderung wird es sein, weitere Talente zu finden. Zum einen gibt es nur wenige, zum anderen sind sie bei zahlreichen Arbeitgebern gefragt: von Herstellern und Finanzdienstleistern bis hin zu Technologieriesen wie Apple, Facebook oder Microsoft. Diese Unternehmen zahlen hohe Gehälter und bieten in der Regel ein Arbeitsumfeld, dass Raum für eigenständiges Denken lässt, flache Hierarchien lebt und freie Mittagessen anbietet.

2025AD: Welche Experten brauchen Automobilhersteller und -zulieferer?
Schlegel: Bisher haben sie viele Maschinenbauer beschäftigt, die Hardware wie Motoren und Getriebe bauen. Außerdem arbeiten sie mit Anwendungstechnikern zusammen, die aktuelle Produkte wie beispielsweise Pkw-Bremsen an neue Modellreihen anpassen. Diese Menschen sind immer noch notwendig, die Nachfrage nach ihnen wird konstant bleiben.
2025AD: Und wer wird benötigt, um an autonomen Autos zu arbeiten?
Schlegel: Für jede Stufe des sogenannten "ADAS/AD-Technologie-Stacks" sind unterschiedliche Experten erforderlich: Auf der Sensorebene müssen Physiker leistungsstarke, aber preiswerte Radare und optische Laser, sogenannte LiDARs, entwickeln, um den Abstand zu Objekten für 3D-Scans der Umgebung zu messen. Auf der Berechnungsebene müssen Chipdesigner zentrale Verarbeitungseinheiten beschleunigen und gleichzeitig den Energieverbrauch und die Kosten niedrig halten. Die innovativste Arbeit ist jedoch auf den letzten beiden Ebenen erforderlich: Softwareingenieure müssen Algorithmen schreiben, die die Daten verwenden, um Modelle der Umgebung zu erstellen. Computer Vision und Datenfusion sind hier entscheidende Komponenten. Und schließlich müssen sie auf der Grundlage dieser Modelle Selbstfahrregeln erstellen, damit Autos entscheiden können: "Soll ich anhalten oder beschleunigen?" Daher müssen Autos die menschliche Kognition simulieren und maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz nutzen. Aber das ist ein Bereich, in den viele Unternehmen einsteigen wollen.

2025AD: Wie können Automobilzulieferer diesen Kampf um Talente gewinnen?
Schlegel: Zuerst müssen sie strategisch entscheiden, wie sehr sie sich wirklich verändern wollen. Bis 2025 erwarten wir, dass der globale Markt für autonomes Fahren nicht größer als 26 Milliarden US-Dollar sein wird. Doch schon heute liegt der Jahresumsatz der großen Automobilzulieferer bei mehr als 40 Milliarden Euro, und oft sind dies diversifizierte Unternehmen, die über die Fahrerassistenz hinaus viele Bedürfnisse der OEMs bedienen. Diese Anbieter wollen sich wahrscheinlich nicht ganz in Softwarespezialisten verwandeln und ihr ursprüngliches Geschäft gefährden. Dann ist ihre Herausforderung: Wie bleiben Sie Ihrem Kerngeschäft treu und schaffen gleichzeitig eine Atmosphäre mit den Eigenschaften, die Absolventen anziehen: flexible Hierarchien, schnelles Arbeiten und innovatives Denken.
2025AD: Und was ist die Lösung für diese Herausforderung?
Schlegel: Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder Spin-offs oder Akquisitionen von Start-ups, die unabhängig bleiben.
2025AD: Welche Vorteile haben die einzelnen Modelle?
Schlegel: Mit einem Spin-off nehmen Sie einen Teil Ihrer eigenen Mitarbeiter und Ihres geistigen Eigentums mit, um ein eigenes Unternehmen zu gründen. Dieses neue Unternehmen kann dann wie ein Start-up arbeiten: schnell und kreativ.
2025AD: Und Akquisitionen?
Schlegel: Wenn die Automobilzulieferer von Anfang an mehr externe Talente benötigen, können sie Unternehmen samt deren Patenten und Mitarbeitern erwerben. Da sie ein Unternehmen kaufen, um Leute einzustellen, wird diese Form des Erwerbs eines Start-ups oft als Acqui-Hiring bezeichnet. Das Start-up sollte jedoch nicht in die Muttergesellschaft integriert werden. Es ist besser, es als eigenständige Einheit zu behalten. Auf diese Weise erhalten Sie den Start-up-Geist und den Ruf, die schnelle Arbeit aufrechtzuerhalten. Dann kannst du immer mehr Talente anziehen.
ÜBER UNSEREN EXPERTEN:
Christoph Schlegel ist Partner bei der Unternehmensberatung Bain & Company. Er ist Experte für Strategieentwicklung in unsicheren technologischen Umfeldern. Er studierte an der London School of Economics und der University of St. Gallen, von der er einen MA erwarb. Vor kurzem hat er die Studie "An Autonomous Car Roadmap for Suppliers" mitveröffentlicht.
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